"Wende dich im Augenblick Gott zu und er wird dich versöhnen."So lautet die Inschrift auf einem Glasfenster in der Dresdner
Kreuzkirche. Dargestellt ist darauf die Verklärung des Herrn –
Jesus mit Mose und Elija (z. B.
Mk 9,2-9). Wer schon einmal in der
Versöhnungskirche in Taizé war, dem wird dieses
Glasfenster bekannt vorkommen. Genau wie sein Vorbild in Taizé
ist auch das Dresdner Fenster von
Frère Eric gestaltet worden.
Doch wie kommt dieses Fenster nach Dresden?
Quelle: Kreuzkirche, Foto: H. Ickel
Zum ersten
Mal habe ich am 5. Mai 2008 von diesem Fenster erfahren und konnte es
auf einem Farbdruck auf Papier betrachten. Es war eine sehr
überraschende Entdeckung für mich. Noch nie hatte ich davon
gehört, dass sich in Dresden – so nah – ein echtes
Taizé-Glasfenster befindet. Nirgends im Netz habe ich
Informationen darüber gefunden – nicht einmal auf der
Homepage der Dresdner Kirche, die das Fenster beherbergt, und dies nicht erst
seit gestern. Nein, schon fast drei Jahrzehnte ist es her, dass
Frère
Roger dieses Glasfenster bei seinem allerersten Besuch in der
damaligen DDR als Geschenk mitbrachte.
Eine eindrückliche Lichterfeier - damals wie heute
Auf den
Tag genau 28 Jahre später, am 9. Mai 2008, feiern wir am selben
Ort, in der Dresdner Kreuzkirche, erneut eine Lichterfeier. Das
ökumenische Gebet ist eine von mehreren Stationen während
des evangelischen Jugendfestivals EVA2008, das Hunderte Jugendliche
während des Pfingstwochenendes nach Dresden reisen ließ.
Auch Besuch aus Taizé ist in die Kreuzkirche gekommen: Frère
Wolfgang erzählt uns während des Gebets von damals vor 28
Jahren:
Wir
erfahren, dass der ehemalige evangelisch-lutherische Landesbischof
Johannes Hempel,
ein enger Freund Frère Rogers, sich bereits seit 1974 um einen Besuch Frère Rogers in Dresden bemüht hatte. Endlich, sechs Jahre später ließen die
damaligen Behörden überraschend die Reise zu. Noch am
Flughafen seien sich die Brüder nicht sicher gewesen, ob sie
tatsächlich nach Dresden weiterfahren würden, aber Bischof
Hempel hatte in letzter Sekunde noch die erforderlichen Papiere
erhalten. So war Dresden der erste Ort in der DDR, welchen Brüder
aus Taizé besuchen konnten, gefolgt von Leipzig und Erfurt an
den beiden folgenden Tagen – weitere Stationen auf dem
Pilgerweg
des Vertrauens auf der Erde, der zwei Monate zuvor, im März 1980 in Sevilla
begonnen worden war.
(Ein andermal hatte Frère Wolfgang übrigens erzählt, dass er sogar bereits ein paar Jahre vor diesem Dresden-Besuch, nämlich noch als Jugendlicher in den 1970er-Jahren, im Auftrag der Communauté u. a. Karl-Marx-Stadt besuchen konnte.)
Mit im Gepäck für Dresden war das Glasfenster, das
man heute noch in der Kreuzkirche betrachten kann, ebenso eine
Kopie der Kreuzikone aus Taizé, welche sich in fünf Teile
zerlegen ließ. Von Dresden aus wurde diese zerlegbare
Kreuzikone in der gesamten damaligen DDR weitergegeben und
bereicherte auch bei Besuchen Frère Rogers in Leipzig und
Erfurt, in Schwerin 1981, Magdeburg 1982, wiederum Dresden 1984 und
1986 in Ostberlin gemeinsame Gebete wie ich später
nachlesen konnte.
Damals vor 28 Jahren in der Dresdner Kreuzkirche
Leider
kann Altbischof Hempel aus gesundheitlichen Gründen nicht mit
uns sein jetzt im Jahr 2008. Und so erzählt uns Frère
Wolfgang weiter, wie etwa 6000 Jugendliche damals zum Gebet in die
Kreuzkirche und die benachbarte Hofkirche geströmt waren. Sogar
ein Ehepaar aus dem Elsass war zugegen, das noch kurz zuvor mit
seinem eigenen Auto Sitzteppiche von der Semperoper in die Kirchen
transportiert hatte. Diese sollten den vielen Jugendlichen als Sitzunterlage auf dem Boden dienen. Der Transport der Teppiche in dem Auto mit französischem Kennzeichen funktionierte wohlgemerkt zu DDR-Zeiten
erfreulich unbehelligt von behördlichen Schikanen, wo die Kirche
ansonsten doch ziemlich unterdrückt war und Leute aus dem
westlichen Ausland ganz besonders scharf beobachtet wurden. Gerade
ein paar Tage vor seinem diesjährigen Besuch in Dresden war
Frère Wolfgang diesem französischen Ehepaar erneut in
Taizé begegnet und konnte Erinnerungen austauschen.
Wir
erfahren weiter, wie die Brüder damals nach dem Gebet die
verbleibende Zeit in Dresden mit Bischof Hempel verbracht hatten. Da
die Wohnung des Bischofs abgehört wurde, lauschten sie gemeinsam
schweigend einer Schallplatte mit Musik. Doch am folgenden Tag bei
einem Spaziergang am Elbufer fanden sie Gelegenheit zum persönlichen
Gespräch.
Betrachte
ich heute dieses Glasfenster, das in warmen Gelb- und Brauntönen
leuchtet, fühle ich mich daran erinnert, dass wir im Glauben
und darüberhinaus über so viele Grenzen hinweg miteinander verbunden sind.
"Unterwegs auf dem „Pilgerweg
des Vertrauens auf der Erde“, der Jugendliche aus zahlreichen Ländern
zusammenführt, begreifen wir eines immer tiefer: Alle Menschen bilden
ein und dieselbe Familie, und Gott bewohnt ausnahmslos jeden Menschen", schreibt Frère Alois im
Brief aus Kalkutta.
Das Glasfenster wirkt unauffällig und schlicht. Es
macht nur einen kleinen Teil des gesamten Fensters aus. Wenn man
nicht von seiner Existenz weiß, mag man es in der großen
Kirche leicht übersehen.
Ein
weiteres Zeichen der Verbundenheit ist die so genannte
Freundschaftsikone, die seit dem 29. Europäischen Jugendtreffen
in Zagreb 2006/2007 auch in Deutschland wieder die Runde macht. So
ist sie nach ihren heurigen Stationen Genf, Grünsfeld,
Tauberbischofsheim, Königshofen, Lauda, Würzburg, Soden,
Sulzbach, Dornau, Kerpen-Buir und Köln nach Dresden
weitergegeben worden.
(Wenn sie auch Eure Gruppe besuchen
soll, dann informiert Euch auf der deutschen Freundschaftsikonen-Seite, wer die Ikone gerade beherbergt, und tragt Euch sicherheitshalber auch dort in die Wunschliste ein.)
Wenn Ihr
etwas nachlesen mögt über die Besuche in der DDR, könnt
Ihr z. B. hier fündig werden:
Jörg Hildebrandt,
Christine Müller: Taizé – Wege der Versöhnung.
Gegenwart einer Gemeinschaft, Evangelische Verlagsanstalt GmbH,
Berlin-Halle: 1988³, S. 20f und 41f
Kathryn
Spink: Frère Roger. Gründer von Taizé. Leben für
die Versöhnung, Edition Taizé Herder,
Freiburg-Basel-Wien: völlig überarbeitete und aktualisierte
Neuausgabe 1999, S. 143f und 163f