Bericht von einem "Tag wie in Taizé"

München im Dezember 2004

Am ersten Adventssamstag 2004 konnte ich in der Münchner Kuratie "Königin der Märtyrer" einen "Tag wie in Taizé" erleben. Es handelte es sich dabei bereits um das 14. Mal, dass ein solches Angebot stattfand.

Drei Gebete strukturieren den Tag

Zusammen mit 17 weiteren Teilnehmern zwischen 15 und 25 Jahren traf ich morgens in der etwas abgelegenen Münchner Siedlung "Fasangarten" ein. Dort erwarteten uns schon ein Pastoralreferent des erzbischöflichen Jugendamts und der Gemeindepfarrer zum Taizé-Gebet in der meiner Meinung nach dafür sehr geeigneten Kirche. Das Kirchgebäude der Kuratie ist eine moderne, schlichte, erst neun Jahre alte Holzkirche, deren Kirchenraum - mit sehr schönen Glasfenstern und bestuhlt - sehr gut mit den Taizé-typischen Elementen gestaltet werden konnte: mit orangefarbenen Tüchern, Ikonen, vielen Kerzen, Ziegeln... Sitzgelegenheiten auf dem Boden. Es war schon alles für das Gebet vorbereitet.

Vormittags Beschäftigung mit einer Bibelstelle

Bibelstelle

Nach dem Morgengebet siedelten wir in einen benachbarten Gruppenraum über und setzten uns bis zum Mittags-Taizé-Gebet mit der Zachäusgeschichte (Lk 19, 1-10) auseinander. Dazu konnten wir uns die einzelnen Szenen der Geschichte verdeutlichen, indem wir sie mit biblischen Figuren oder sogenannten Egli-Figuren nachbauten. Bei diesen Figuren handelt es sich um schlichte, etwa barbiegroße Stoffpuppen, die im Inneren ein Drahtgerüst haben, so dass man sie in alle möglichen Positionen bewegen und auch hinstellen, hinsetzen oder hinknien kann. So konnte man sich die Handlungen und möglichen Gedanken von Zachäus, Jesus und der Menschenmenge sehr lebendig vor Augen rufen. Denn jeder von uns konnte die Szenerie, welche versweise dem Lauf der Bibelgeschichte angepasst wurde, verändern und sich dabei mit den anderen über sein Verständnis des Textes austauschen. Danach zogen wir mit Hilfe von Frageimpulsen Parallelen zwischen der Zachäusgeschichte und ihrer Bedeutung für unser persönliches Leben und diskutierten darüber.

Gastfreundschaft der Kuratiegemeinde

Nach dem Mittagsgebet wurden wir zu dritt oder viert von Gastfamilien abgeholt, Leuten aus der Kuratiegemeinde, bei denen wir zu Mittag essen durften. Wir konnten eine wunderbare Gastfreundschaft erleben, und ein großer Teil der Kuratiegemeinde hat an unserem Taizé-Tag mitgewirkt: Gemeindemitglieder kamen zu unseren Taizé-Gebetszeiten in die Kirche, sorgten sowohl für unser Mittag- als auch Abendessen und halfen hinterher beim Aufräumen. Einige Familien aus der Gemeinde waren schon als Gruppe mit ihren kleinen Kindern nach Taizé (Olinda) gefahren und der Gemeindepfarrer war selbst als Jugendlicher einmal ein "Permanent" in Taizé. Es war ein gutes Gefühl, zu erleben, wie die ganze Gemeinde unseren "Tag wie in Taizé" mittrug und daran Anteil nahm.

Nachmittags Begegnung

Am Nachmittag hat uns dann ein Pastoralreferent besucht, der als Gefängnisseelsorger in Stadelheim, einem der größten deutschen Gefängnisse, beschäftigt ist. Neben (!) seiner Berufstätigkeit lebt er (unterstützt von einer Sozialpädagogin) zusammen mit (damals) 17 aus der Haft Entlassenen in einer Wohngemeinschaft, die vom Verein "Tabor" getragen wird in Maria-Altenburg bei München. Diese Wohngemeinschaft dient dazu, Haftentlassenen den Einstieg ins "normale" Leben zu erleichtern. Der Gefängnisseelsorger hat uns aus seiner Arbeit berichtet und zwei Ex-Häftlinge aus seiner Wohngemeinschaft mitgebracht, welche uns ihre Lebensgeschichte, teilweise ihre Glaubenserfahrungen nahe gebracht und über das Leben in der Wohngemeinschaft und die Rückfallgefahr, die Schwierigkeiten des Neubeginns nach der Haft erzählt haben. Dabei wurden immer wieder Parallelen zur Zachäusgeschichte gezogen, auch von einem der Gäste selbst. Jeden Abend gibt es in der Wohngemeinschaft übrigens ein Gebet, manchmal auch mit Taizé-Liedern. Es war ein sehr interessanter Nachmittag - zum Schärfen der Sinne: man ist irgendwie ein bisschen zur Besinnung gekommen über sein eigenes Leben, dazu, nicht so stur sein Leben zu leben, sondern Augen und Ohren auch wieder offener zu halten für alles, was einem so begegnet, dass es auch ganz andere Schicksale gibt...

Teelichter

Der gemeinsame Nachmittag wurde wieder mit einem Taizé-Gebet in der Kirche beschlossen, in welchem reihum Kerzen entzündet wurden. Den Abschluss des Tages bildete dann ein geselliges Abendessen im Gruppenraum.

Bestimmt bieten auch andere Jugendstellen ähnliche Angebote an. Also hört Euch mal in Eurer Gegend um. In München könnt Ihr Euch beim Erzbischöflichen Jugendamt informieren.